Sonntag, 18. Januar 2015

An den Leser

Ich wende mich an den werten Leser, der seine begrenzte Zeit sich nimmt, um in meinen Texten zu suchen. Wonach er sucht sei seine Sache, was er findet jedoch meine. Das ist zumeist das Problem des heutigen Schriftstellertums, nämlich: es begründet sich in seiner subjektiven Unterhaltungsform. Wer heute schreibt, der schreibt Geschichten, schreibt was sich verkauft, also was der Bürger Nr. 0815 gerne liest. Wer sich nur oberflächlich, sprich in der Ubahn oder im Bus mit Büchern beschäftigt, wie es wohl die meisten der heutigen Leser tun, wird seinem Gemüt nur leichte Kost zumuten, also geistige Diät-Bücher kaufen – auch Bestseller genannt. Wer sich in den gegenwärtigen Zeiten ein gutes Buch zulegen möchte findet es beim Antiquitätenhändler. Die Zeiten des Schreibens sind vorbei, ja, tot sind sie. Im legendären Cafe Central in der Wiener Herrengasse, wo sich die namhaftesten Schreiber einst die Hand reichten, ihre Schreibblockaden zusammen mit Schach und Tarock aussaßen, die Motivation in der Suppenschüssel suchten, fanden und verewigten, da gibt es heute keinen einzigen wahrhaften Schriftsteller inmitten der Touristen, die Filterkaffee zum Mürben Kipferl bestellen. Ebenso tot wie die unvergessenen Literaturzirkel sind auch die vermodernden Anhäufungen von Feuilletons und Essays und deren größter Meister, Anton Kuh.
Das begründet sich des Schreibers Meinung nach in dem Verlust des guten Geschmacks. Ich habe die Wurzel des Übels lange gesucht, an den unmöglichsten Orten gefunden, dann doch als Attrappe enttarnt, aber letztendlich bin ich mir sicher, sie festzuhalten. Ich halte sie in die Höh', entblöße sie vor euren Häuptern, seht her: der fehlende Sinn für gute Literatur ist der Grund der untergegangenen Schreibkultur. Verkauft wird der Roman für die moderne Hausfrau, für Schulkinder und Freizeitleser. Wenn der Markt keine Monopolisierung durchführen würde und auch kleine Schreiber ihre Bücher verlegt bekommen würden, wäre an dieser Tatsache nichts auszusetzen – in Zeiten des knallharten Kapitalismus aber ist die Existenz dieser erwähnten Gruppe von Schriftstellern ernsthaft bedroht. Wer tatsächlich gegen den Strom schwimmt, wird seine Leserschaft nur schwer erreichen und sein Leben in den seichten Höhen der Anerkennung verbringen. Wer also abseits des Mainstreams schreibt braucht :
Geld zum Leben, vom Schreiben verdient er nichts;
Viel Ausdauer, um die Leser zu erreichen;
und ein frohes Gemüt, um dem Verdruss der allgemeinen Ignoranz erfolgreich entgegenzutreten.
In einem Satz also: Wer heutzutage schreibt, schreibt entweder um viel Geld zu verdienen, oder man schreibt aus masochistischer Leidenschaft, einer Leidenschaft, sich selbst von den Freuden des Lebens fernzuhalten. Zum Glück kann man zwischen beiden Gruppen eine dicke, schwarze Trennlinie ziehen. Verwischt wird sie selten bis gar nicht. Ich hoffe zutiefst, dass das 21. Jahrhundert genügend Schriftsteller der zweiten Art hervorbringen wird, um auch durch seine Kunst und Kultur in die Geschichtsbücher eingehen zu können – und das in schönen Erinnerungen.
Mein lieber Leser, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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