Es regnet. Dicke, schwere Tropfen fallen auf meinen Kopf und
meine Schultern herab, zerplatzen und hinterlassen einen leisen Knall. Erst der
Blitz – ein Donnerschlag folgt. Die engen Straßen sind leer, kein Auto fährt.
Meine Beine treiben mich voran, ich folge ihnen verständnislos. Denn ich habe
nichts verstanden, habe mein Leben verlebt, meine Nächte verschlafen und die
Tage verträumt. Der Preis offenbarte sich in jenen hellen Momenten, ich denen
ich die Klarheit, die nackte, kalte Klarheit über mein Leben erkannte. Erst
waren es nur einsame Momente, wenn mein Blick die Leere suchte. Die Klarheit
kam und mit ihr das grauenhafte Gefühl der Einsamkeit. Die Momente wurden mehr,
sie wurden stärker, intensiver, schmerzhafter. Es ist der Tag gekommen, an dem
ich kapitulierte.
Es regnet. Meine Socken sind nassgesogen. Jeder Schritt
quetscht das Wasser aus ihnen, das mit dem darauf folgenden wieder eingesogen
wird. Die Straßen sind allein - ich bin allein. Mein Blick streift in die
weiten Gassen, findet keinen Anhaltspunkt, verliert sich in der Entfernung. Das
Grau wird Schwarz, das Schwarz wird leer. Ich weine. Die Tränen werden vom
Regen weggespült. Meine Schritte stecken im immergleichen Takt. Kein Gedanke
dringt in meinem Kopf hervor. Kein Bild, keine Vorstellung, kein Wort kann
diese verzweifelte Leere bekämpfen. Eine unbeschreibliche Übelkeit legt sich um
meinen Magen. Ich habe das Gefühl mich übergeben zu müssen. Aber ich werde
nicht langsamer, ich gehe weiter. Immer weiter, ahnungslos. Hoffnungslos.
Es gab einen Moment, da habe ich mich selbst verlassen. An
diesem Tag packte ich gedanklich meine Koffer, schmiss mir selbst einen
Mittelfinger entgegen und ging weg. Wohin ich ging, das weiß ich nicht. Ich
suche mich. Nur weiß ich nicht, wo die Suche beginnen soll. Wo würde ich mich
verstecken? Würde ich mich denn überhaupt vor mir selbst verstecken? Nein, ich
hätte mich bekämpft. Ein Kampf auf Leben und Tod, bei dem ich gestorben wäre
und ich hätte gewonnen. Auf der Suche nach mir – im Regen, in Gedanken, in
Emotionen. Der Sinn meines Daseins scheint ein nichtiger zu sein – wurde er
gestohlen oder nie geboren? Bin ich ohne Sinn geboren? Einfach nur auf die Welt
gesetzt. Ist es meine Bestimmung, bestimmungslos zu bleiben? Meine Beine
bleiben schnell und ziellos.
Ein Mann kommt mir entgegen. Ich erkenne ihn erst, als er
wenige Meter vor mir steht, der dichte Regen hatte seine Gestalt verhüllt. Sein
Gesicht bleibt mir fremd. Der Regen wird stärker. Der Unbekannte spricht zu
mir, aber ich verstehe ihn nicht. Er hat eine schwarze Kapuze über den Kopf
gezogen, beinahe komplett zugeschnürt, sodass ich nur die Konturen seiner Nase
erkenne. Ich höre seine Stimme, verstehe die Worte aber nicht. Er kommt näher.
Nun rieche ich ihn, inmitten des Schauers, der uns umgibt. Er riecht alt, kalt.
Er riecht nach meiner Kindheit, an den feuchten Keller meiner Großmutter, in
dem ich in den Sommerferien die Äpfel eingelagert hatte. Nun ist er mir
vertraut, ein immer da gewesener Bekannter, Freund, Bruder und Vater. Freude
umgibt mich. Ob ich nach Hause will fragt mich der Mann. Ja, ich will.
Es regnet.
... ich bin überwältigt ! Eine super tolle Erzählung über die Sinnlosigkeit und dem finden darin. Hoffnungslosigkeit, müde vom Leben auf der Suche nach dem eigenen Dasein. (wenn ich es denn richtig verstanden habe).
AntwortenLöschenToll, ich bin begeistert.
LG
Ede
Ich danke Dir vielmals! :)
LöschenLiebe Grüße,
Maximilian